(Rechts-)Sicher durch die Corona-Krise

Die aktuelle Corona-Krise stellt im wirtschaftlichen Bereich eine erhebliche Herausforderung für die Leitungsgremien der Unternehmen dar. Ungeachtet wirtschaftlicher Herausforderungen ist die Unternehmensleitung gerade auch in der jetzigen Situation verpflichtet, für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen (Legalitätspflicht).

Dabei sind nicht nur der geänderte nationale Rechtsrahmen, sondern auch die diversen neuen Rahmenbedingungen in anderen Ländern, in den Geschäftstätigkeiten ausgeübt werden, zu beachten.

Akut stehen neben Regelungen zur Arbeitssicherheit und Datenschutz, auch die „klassischen“ Straftatbestände für Unternehmen in der Krise, sowie diverse Rechte und Pflichten gegenüber Kunden und Lieferanten, im Fokus.

Folgende Compliance‑Risiken bedürfen zurzeit erhöhter Beachtung:

 

1) Arbeits- und Infektionsschutz

Im Bereich des Arbeits‑ und Infektionsschutzes besteht für jede Unternehmensleitung erhöhter Handlungsbedarf. Es ist sicherzustellen, dass die jeweils in den einzelnen Ländern geltenden Vorgaben zum Arbeits- und Infektionsschutz eingehalten werden.

So gilt beispielsweise in Deutschland: Wird durch einen vorsätzlichen Verstoß das Leben oder die Gesundheit von Beschäftigten gefährdet, kommt eine Haftung nach § 26 Nr. 2 ArbSchG in Betracht, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht ist. Darüber hinaus kann gegen das Unternehmen gem. § 30 OWiG eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Mio. Euro verhängt werden.

Folgende Maßnahmen bieten sich in der Krise an:

  • Dokumentierte Gefährdungsbeurteilungen
  • Kleinere Schichten
  • Maskenpflicht im Unternehmen
  • Aufstellen von Desinfektionsmitteln
  • Ernennung eines Beauftragten für Corona-Maßnahmen

 

2) Datenschutz

Auch die Vorgaben des Datenschutzes bei Infektionen oder Verdachtsfällen im Unternehmen sind mit äußerster Vorsicht zu behandeln und bergen ein hohes Bußgeldrisiko.

Tätigkeiten wie die Kommunikation der Identität von Infizierten, der Abfrage von Daten wie beispielsweise Reisetätigkeiten bei Mitarbeitern sowie Besuchern oder auch Maßnahmen wie Fiebermessen, unterliegen den Vorgaben des Datenschutzes. Es muss immer sorgfältig abgewägt werden, welche Informationen weitergegeben, eingeholt und dokumentiert werden.

 

3) Wirtschaftliche Krise und persönliche Haftungsdelikte

Gerät ein Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie in eine wirtschaftliche Krise bedeutet die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 (wie in unserem letzten Newsletter dargestellt) nur partielle Entwarnung.

Die Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben, das Eingehen von Steuerstraftaten, Bankrottdelikte oder auch Eingehungsbetrug sind weiterhin aktive und klassische persönliche Haftungstatbestände, die in der Krise erhebliche Sanktionsrisiken für die handelnden Personen begründen können.

Die Unternehmensleitung muss sich dabei auch mit Sofortmaßnahmen befassen, wozu die Realisierung staatlicher Hilfsmaßnahmen gehört. Auch hier drohen persönliche Haftungsgefahren, wenn die Unternehmensleitung ihre Sorgfaltspflichten unterlässt oder die Beachtung dieser nicht hinreichend dokumentiert.

 

4) Kunden- / Lieferantenbeziehungen

Haftungsrisiken für das Unternehmen ergeben sich auch aus laufenden und neu abgeschlossenen Lieferverträgen. Insbesondere im Hinblick auf Liefertermine ist dabei zu berücksichtigen, dass gerade in Neuverträgen ein Schutz durch bloße „Höhere Gewalt Regelungen“ oftmals nicht gegeben sein wird.

Auch Werksschließungen ohne entsprechende behördliche Anordnungen stehen im Spannungsfeld zwischen Arbeits- / Infektionsschutz und den bestehenden vertraglichen Verpflichtungen und bedürfen einer sorgfältigen Abwägung.

 

5) Stellvertreterregelungen

Insbesondere bei verkleinerten Teams oder Schichten sollte beachtet werden, dass diese handlungsfähig bleiben müssen. Es bietet sich daher an, speziell für die Phase der Corona-Pandemie, angepasste Stellvertreterregelungen zu erlassen.

Sollten Sie zunehmend digitale Unterschriften verwenden ist hierbei speziell die Form dieser elektronischen Signatur zu beachten. Bei Abmahnungen, Kündigungen oder langjährigen Verträgen sind hier erhöhte Anforderungen an diese Signatur zu befolgen. Bei wenigen Ausnahmen ist auch nach wie vor eine persönliche Unterschrift erforderlich.

Gerne helfen wir Ihnen bei Fragen zu obigen und sonstigen rechtlichen Themen rund um die Corona-Krise.

Für Fragen oder Unterstützung bei der Umsetzung obiger Themen wenden Sie sich gerne an das Compliance oder Insolvenz-Team unseres Hauses (www.sws-p.de).

 

Ihre Ansprechpartner zum Thema

Dr. Andrea Schreder, Bertohold Reil, Andreas Weidinger

 

Katharina Sigl, Thomas Sedlmayr

WICHTIGE INFORMATIONEN ZUM INSOLVENZRECHT

Das Gesetz zur Abmilderung der COVID Folgen wurde am 25.03.2020 im Bundestag beschlossen, am 27.03.2020 hat der Bundesrat zugestimmt, am selben Tag wurde das Gesetz verkündet und ist in Kraft getreten. Die wichtigsten Neuerungen:

 

  • Die Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO wurde bis mindestens 30.09.2020 ausgesetzt, außer die Insolvenzreife ist nicht auf die COVID Pandemie zurückzuführen (hierfür besteht eine Vermutung, wenn zum 31.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit bestand)  oder wenn keine Aussichten bestehen, eine Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
  • Handlungsempfehlungen:

– Dokumentation, dass Umsatzrückgang, Zahlungsausfall, Auftragseinbruch etc. auf COVID Pandemie zurückzuführen sind und dass zum 31.12.2019 weder Überschuldung noch                      Zahlungsunfähigkeit vorlagen; rechtzeitige Fertigstellung der Bilanzen

– Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts und Finalisierung bis zum 30.09.2020 (sofern nicht die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über dieses Datum hinaus bis zum
31.03.2021 verlängert wird).

  • Haftung für sog. verbotene Zahlungen in der Krise nach § 64 GmbHG: wenn die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers vereinbar und lösen keine persönliche Haftung der Geschäftsführer aus
  • Insolvenzanfechtung weitgehend ausgeschlossen:
  • Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits oder die Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gelten als nicht gläubigerbenachteiligend;
  • kongruente Rechtshandlungen sind nicht anfechtbar, es sei denn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Sanierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
  • Bei inkongruenten Rechtshandlungen sind auch Leistungen an Erfüllung statt oder erfüllungshalber, Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit (wenn diese nicht werthaltiger ist) sowie die Verkürzung von Zahlungszielen und die Gewährung von Zahlungserleichterungen gestattet. Diese Sonderregelungen gelten zunächst für Vereinbarungen im Zeitraum bis zum 30.09.2020.
  • Sogar die Rückführung von neu gewährten Gesellschafterdarlehen (01.03.2020 bis 30.09.2020) ist vor Anfechtung geschützt, sofern die Rückzahlung bis zum 30.09.2023 geschieht.

 

Ihre Ansprechpartner zum Thema

 

Andreas Weidinger
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht

weidinger@sws-p.de