Welchen Einfluss hat das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) auf eine krankheitsbedingte Kündigung?

Es ist grundsätzlich zu differenzieren zwischen einer krankheitsbedingten Kündigung innerhalb und außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes.

 

I. Krankheitsbedingte Kündigung im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes

1.

Es muss zunächst eine negative Prognose hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Mangels weiterer Informationen kann der Arbeitgeber diese Prognose auch aus den Krankheitszeiten der Vergangenheit abgeleiten und behaupten.

Neben Personaldaten mit Gesundheitsbezug (Krankheitstage, Informationen zur Schwerbehinderung, Zustellungsersuchen und Antwort des Arbeitnehmers) dürfen auch Verfahrensergebnisse aus dem BEM (Ergebnisse von Arbeitsversuchen und erfolglosen Maßnahmen, Unterrichtung über nicht vorhandene Beschäftigungsmöglichkeiten) im Prozess verwendet werden.

Nicht verwendet werden dürfen jedoch personenbezogene Gesundheitsdaten aus dem BEM-Verfahren, da hier im Regelfall keine Einwilligung des Arbeitnehmers vorliegt.

Bei einem BEM mit positivem Ergebnis (Vorschläge für leidensgerechte Beschäftigung liegen vor) hat der Arbeitgeber, wenn er trotzdem eine Kündigung ausspricht, eine gesteigerte Darlegungslast, er muss also darlegen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht geeignet sind, eine Reduzierung von Arbeitsunfähigkeitszeiten herbeizuführen.

2.

Weiter muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen, es muss das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten dargelegt werden.

Je nach Ausgang hat das BEM-Verfahren unterschiedliche prozessuale Relevanz:

a) Bei negativem Ergebnis (fehlende leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit) genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast durch Verweis hierauf.

Es ist streitig, ob ein Vorbringen des Arbeitnehmers hier bereits ausgeschlossen ist, jedenfalls bestehen für den Arbeitnehmer hohe Anforderungen im Hinblick auf die   Darlegung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit.

b) Bei einem positiven Ergebnis besteht auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit eine gesteigerte Darlegungslast des Arbeitgebers. Er muss darlegen, dass die vorgeschlagene Maßnahme undurchführbar war bzw. auch eine Umsetzung zu keiner Vermeidung oder Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätte.

c) Bei einem fehlenden BEM-Verfahren hat der Arbeitgeber eine erhöhte Darlegungslast. Er muss darlegen, dass das BEM-Verfahren nutzlos war, also ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz bzw. dessen leidensgerechte Anpassung nicht möglich war und das BEM ohnehin nicht neuen Krankheitszeiten vorgebeugt bzw. das   Arbeitsverhältnis nicht erhalten hätte.

3.

Schließlich muss im Rahmen einer Interessenabwägung geklärt werden, ob eine billigerweise nicht mehr hinzunehmende Belastung des Arbeitgebers vorliegt.

a) Bei einem durchgeführten BEM sind weitere Aspekte zu prüfen, so z.B. ob ein Betriebsunfall oder eine Berufskrankheit die Ursache sind (spricht eher für den Arbeitnehmer) oder ein Verschulden des Arbeitnehmers die Ursache ist (spricht eher für den Arbeitgeber).

b) Hat der Arbeitnehmer ein angebotenes BEM abgelehnt, so soll dies nach überwiegender Ansicht, auch des Bundesarbeitsgerichts, jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht berücksichtigt werden. Begründet wird dies mit der Freiwilligkeit des BEM und dem hiermit verbundenen Schutz des Persönlichkeitsrechts.

 

II. Krankheitsbedingte Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes

1.

Die Pflicht zur Durchführung des BEM-Verfahrens besteht unabhängig von der Beschäftigtenzahl und auch unabhängig von der Dauer der Beschäftigung.

2.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts stellt jedoch die ordnungsgemäße Durchführung des BEM-Verfahrens keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung dar.

In folgendem Ausnahmefall kann sich jedoch eine Unwirksamkeit der Kündigung ergeben:

Der Arbeitnehmer verlangt die Durchführung eines BEM, der Arbeitgeber lehnt dies zu Unrecht ab und nimmt das Begehren des Arbeitnehmers zum Anlass für eine Kündigung (Sanktionskündigung). Hier liegt ein Verstoß gegen § 612a i. V. m. § 134 BGB bzw. §242 BGB vor.

Ihr Ansprechpartner zum Thema

 

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Udo heller
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

heller@sws-p.de